Der quadratische Anteil von ist
Wir setzen
, ausgedrückt in den neuen Koordinaten , nimmt dann die
folgende Form an:
Wir nennen ein , dessen quadratischer Anteil die Form (4.4) mit hat, eine Magnetflaschen-Hamilton-Funktion. Selbstverständlich bleibt aber dieser Typ von Hamilton-Funktion nicht nur den magnetischen Flaschen vorbehalten. Die Benennung deutet lediglich an, daß die in der Theorie der magnetischen Flaschen auftretenden Hamilton-Funktionen typischerweise die in Gl. (4.4) beschriebene Gestalt annehmen -- zum Beispiel haben alle drei in Kapitel 2 vorgestellten Modellsysteme Hamilton-Funktionen dieses Typs. Anschaulich beschreiben die ersten Summanden des Magnetflaschen- eine (in niedrigster Ordnung) freie Bewegung, wogegen die restlichen Summanden harmonische Oszillatoren mit der Frequenz darstellen.
Magnetflaschen-Hamilton-Funktionen können nicht mit der Gustavsonschen Normalformentheorie untersucht werden, denn die wesentliche Voraussetzung (1.61) ist nicht erfüllt: Um dieser Voraussetzung zu genügen, müßte sein, und diesen Fall schließen wir hier gerade aus. Erst mit der DFS-Theorie wird demnach der Normalformenkalkül auf die hier betrachtete Systemklasse anwendbar.
Die in den Abschnitten 1.2.2 und 1.2.3
diskutierte Transformation auf DFS-Normalform muß an dieser Stelle nicht
mehr ausführlich beschrieben werden.
Zur Erinnerung wiederholen wir hier nur diejenigen Aspekte, die sich bei
der praktischen
Durchführung
als problematisch erweisen.
Bei jedem Schritt der Normalformtransformation müssen wir
zur Lösung der homologischen Gleichung
den
Grad -Anteil der Hamilton-Funktion
in die
Summe
Die Lie-Transformation, die die alte Hamilton-Funktion in die neue
Hamilton-Funktion transformiert, wobei in DFS-Normalform bis zum
Grad ist, lautet dann
zu bestimmenden Erzeugenden .
Bei der Bestimmung eines Urbildes von handelt es sich um ein nichttriviales Problem. Man hat hier zwar ,,nur`` ein lineares Gleichungssystem zu lösen, was beispielsweise mit dem Gaußschen Eliminationsverfahren immer gelingt, aber die Dimension des Problems ist sehr groß: . Man hat demnach Hunderte oder sogar Tausende von linearen Gleichungen gleichzeitig zu erfüllen. Dies stellt bis heute auch für die mächtigsten Systeme der symbolischen Computer-Algebra ein schwieriges Problem dar, denn die Invertierung einer -Matrix benötigt typischerweise Rechenoperationen [St89]. Andererseits wollen wir um der Rechengenauigkeit willen kein numerisches Näherungsverfahren (Iterationsverfahren) verwenden. Im folgenden stellen wir ein Verfahren dar, mit dem wir den Rechenaufwand für die Invertierung von drastisch reduzieren können, indem wir die spezielle Struktur des Problems ausnutzen und es auf ein wesentlich einfacheres zurückführen. Damit können wir Gl. (4.6b) vergleichsweise schnell und sehr genau lösen und somit die Normalformtransformation durchführen.
Für die Darstellung des Differentialoperators gemäß Gl. (1.91)
benötigen wir als erstes die Hamilton-Matrix :
(4.3) |
Wir übertragen diese Idee jetzt auf die magnetischen Flaschen. Im allgemeinen ist nicht zu erwarten, daß diagonalisierbar ist. Wir können aber immer in Jordansche Normalform (in ihrer komplexen Version) überführen. und damit auch werden dadurch in einem gewissen Sinne so einfach wie möglich, so daß sich diese Transformation als erster Schritt der Analyse anbietet.
Zunächst entkoppeln wir in einen Anteil, der dem Gustavsonschen entspricht (gekennzeichnet durch die Frequenzen ), und in den Anteil der freien Bewegung, der durch die -Anteile der Hamilton-Funktion beschrieben wird. Dafür verwenden wir die -Permutationsmatrix :
(4.4) |
Die Anwendung von auf die Hamilton-Matrix ergibt:
Die damit erreichte Entkopplung der Anteile und
von erleichtert die Jordanisierung von erheblich, weil nun
beide Teilmatrizen und getrennt auf
Jordansche Normalform gebracht werden können.
Auf die Matrix muß dazu lediglich eine weitere
Zeilen- und Spaltenpermutation
angewandt werden, um die Einsen in die erste Nebendiagonale zu
verschieben.
wird durch eine zu Gl. (1.73) analoge
Transformation diagonalisiert.
Wir erhalten:
Insgesamt gilt dann für die Jordan-Normalform der Hamilton-Matrix
die in
überführt.
Die unitäre Matrix geht durch
Transposition und komplexe Konjugation
aus hervor: .
Wie Gl. (4.10b) zeigt, sind der
nilpotente Anteil von
durch die Matrizen
und der diagonalisierbare Anteil durch die
Eigenwerte
gekennzeichnet. Dementsprechend haben wir
für den diagonalisierbaren Anteil und den nilpotenten Anteil von
:
gefunden haben.
Mit Gl. (4.12a) ist dann auch der Nachweis erbracht,
daß das von Dragt und Finn gefundene (siehe Gl. (1.106)) wirklich ein
Integral der Bewegung für in DFS-Normalform befindliche
Magnetflaschen-Hamilton-Funktionen ist, denn es gilt:
(4.2) |
Wenn man lediglich an dem Integral der Bewegung für Magnetflaschen interessiert wäre, dann wären die oben dargestellten langwierigen Umformungen unnötig, denn einerseits kann man der Matrix schon fast ,,ansehen``, wie ihr diagonalisierbarer Anteil beschaffen ist -- auf diese Weise wird das Integral beispielsweise in [St91] gefunden. Andererseits könnte man auch die Ergebnisse des Anhanges A anwenden und damit sofort aus der Hamilton-Funktion (4.4) ablesen, ohne überhaupt berechnen zu müssen.
Unabhängig von der Bestimmung des DFS-Integrals ist aber die durch
gegebene Koordinatentransformation ein nützliches Hilfsmittel für die
Invertierung von , die für die Lösung von Gl. (4.6b) benötigt wird. Dies wird deutlich, wenn man die
Transformation
Wir notieren zunächst in den alten Koordinaten
:
(4.5) |
Um uns ein genaueres Bild von der Wirkungsweise von
zu
verschaffen, wenden wir den Operator auf einen der Basisvektoren
von an:
Bevor wir weiter analysieren können, müssen wir noch festlegen, in welcher Reihenfolge die Monome den kanonischen Basisvektoren des zugeordnet werden. Wir können diese Zuordnung beliebig wählen. Dabei ist zu beachten, daß eine geeignete Zuordnung die Matrixdarstellung von entscheidend vereinfachen kann. Aus [Gu66] ist die Gustavson-Anordnung der Monome bekannt: bekommt den Gustavson-Index . Für definiert man , wenn es ein gibt, so daß und für alle gilt. Mit dieser Abbildungsvorschrift erhält man einen bijektiven Zusammenhang zwischen den Monomen aus und den natürlichen Zahlen . Für die Monome vom Grad haben wir diese Zuordnung in Tabelle 4.1 angegeben. (Außer dem Gustavson-Index ist dort auch der ,,Magnetflaschenindex`` tabelliert, den wir weiter unten einführen werden.)
|
Mit den Gustavson-Indizes ist dann eine Anordnung der Monome in
gegeben, die wir zum Beispiel verwenden können, um
in
Matrixgestalt zu schreiben.
Als ein Beispiel geben wir die Matrixdarstellung von
im Fall , an. Für diesen Wert von ist
. Wir verwenden hier die Abkürzung
und schreiben Nullen, die nicht auf der Diagonalen
liegen, nicht aus:
Darüber hinaus ist
für alle , und eine rechte
obere Dreiecksmatrix, wenn
man die Gustavsonsche Monom-Indizierung zugrunde legt.
Man erkennt diese Eigenschaft anhand von Gl. (4.18). Der
zweite Summand in dieser Gleichung ergibt einen Beitrag auf der
Diagonalen von
, wie wir schon früher
erkannt haben. Der erste Summand führt auf Beiträge der Form
Obwohl demnach eine Dreiecksmatrix ist, können wir das lineare Gleichungssystem (4.6b) nicht einfach durch gewöhnliches Rückwärtseinsetzen lösen, indem wir zuerst die -te Gleichung lösen, dann die -te usw. Denn die Diagonalelemente der Matrix sind nicht sämtlich von null verschieden, was während des Rückwärtseinsetzens dazu führt, daß man einige Komponenten des Lösungsvektors wählen muß. Erst bei nachfolgenden Schritten des Verfahrens erweist sich dann, ob diese Wahl sinnvoll war oder zu Widersprüchen führt4.1. Es kann also a priori kein konsistentes Lösungsverfahren für eine Matrix der hier vorliegenden Form angegeben werden, wenn man nicht wie beim Gaußschen Verfahren eliminieren möchte. Dies wollen wir wegen des erforderlichen großen Aufwandes aber gerade vermeiden.
Die Lösung des Problems gelingt durch die Einführung einer anderen Anordnung der Monome von . Wir nennen diese Variation der Gustavsonschen Zuordnung die Magnetflaschenanordnung der Monome von , weil sie dem Operator , der sich aus einer Magnetflaschen-Hamilton-Funktion ergibt, angepaßt ist.
Die dem Folgenden zugrunde liegende Idee besteht darin, daß die Lösung einer linearen Gleichung einfach und mit geringem Aufwand gelingt, wenn die einzigen von null verschiedenen Einträge der -Matrix auf der Haupt- und der ersten oberen Nebendiagonalen liegen. In diesem Fall kann man die einzelnen Gleichungen durch ein dem Rückwärtseinsetzen ähnliches Verfahren mit sehr wenigen (nämlich ) Rechenoperationen lösen, ohne daß dabei Inkonsistenzen auftreten können. Wir gehen hier nicht näher auf dieses Verfahren ein, denn obwohl es sehr einfach ist, wäre seine Darstellung an dieser Stelle wenig instruktiv. Wie wir sehen werden, nimmt für die Magnetflaschenanordnung der Monome die beschriebene Gestalt an, so daß wir das Problem der Invertierung von bzw. der Lösung von Gl. (4.6b) einfach und schnell lösen können.
Diese Vorgehensweise hat allerdings den Nachteil,
daß wir uns bei der Einführung
der Magnetflaschen-Anordnung auf den Fall beschränken müssen.
Für erhalten wir aus Gl. (4.18)
(4.8) |
(4.9) |
Auf diese Weise erhält man eine gegenüber Gustavson abgewandelte Anordnung der Monome. Der Zusammenhang zwischen und ist bijektiv, wie wir es zu fordern haben. Man vergleiche Tabelle 4.1 für eine Gegenüberstellung der - und -Indizes der Monome vom Grad 0 bis 4.
Wie wir es beabsichtigt haben, liegt die Wirkung der zusätzlich eingeführten Regel 2b darin, daß bei Verwendung der Magnetflaschenanordnung alle Außerdiagonalelemente von auf der ersten oberen Nebendiagonalen zu liegen kommen. Wir demonstrieren diese Eigenschaft wiederum anhand von . Bei Verwendung der Magnetflaschenindizes gilt:
Mit dem in dieser Gestalt vorliegenden ist es nun vergleichsweise einfach, die für die Normalformtransformation entscheidende Gl. (4.6b) zu lösen und die Erzeugende zu bestimmen. Darüber hinaus bietet die Darstellung von mittels der Magnetflaschenanordnung noch in einer anderen Hinsicht einen wesentlichen Vorteil: In dieser Darstellung ist es besonders einfach, eine Basis der Untervektorräume und zu berechnen4.2. Wir benötigen diese Basen, um den Grad -Anteil der Hamilton-Funktion gemäß Gl. (4.5) aufspalten zu können -- eine unabdingbare Voraussetzung für die Aufstellung und Lösung der homologischen Gleichung.
Wir haben jetzt die für eine effiziente Normalisierung von benötigten Hilfsmittel bereitgestellt. Wir merken an dieser Stelle noch einmal an, daß der Durchführung der Normalformtransformation auch dann nichts im Wege steht, wenn die in diesem Abschnitt gemachten Annahmen (Magnetflaschen-Hamilton-Funktion, ) nicht zutreffen. Man muß dann aber, bedingt durch die hohe Dimension von , großen numerischen Aufwand in Kauf nehmen, den wir hier vermeiden konnten.
Schließlich stellen wir fest, daß die in diesem Abschnitt besprochene Problematik im Fall der Gustavsonschen Normalform irrelevant ist. Das Gustavsonsche stellt den Grenzfall des Magnetflaschen- mit dar. Wenn ist, dann ist schon diagonal, wie wir in Abschnitt 1.2.2 gesehen haben. Sowohl die Invertierung von als auch die Zerlegung von in Kern- und Bildvektorraum von sind dann vergleichsweise triviale Aufgaben. Man vergleiche hierzu die Gln. (1.79) und (1.80).