Wir haben ein umfangreiches Computerprogramm entwickelt, das die DFS-Normalformentheorie anwendet und dabei die Überlegungen des Abschnitts 4.1.1 berücksichtigt. Damit sind wir in der Lage, beliebige Hamilton-Funktionen des Magnetflaschen-Typs (4.4) mit auf DFS-Normalform zu transformieren und das Quasiintegral zu berechnen.
Mit Hilfe dieses Programmes gelang es uns, die Hamilton-Funktion der Brown-Gabrielse-Magnetflasche auf DFS-Normalform bis zum Grad vierzehn zu transformieren und das entsprechende formale Integral ebenfalls bis zur vierzehnten Ordnung einschließlich zu berechnen4.3. Dies ist die höchste Ordnung aller uns bekannten Normalformtransformationen. Nur in [KaRo92] wird bis zu ebenso hohen Graden normalisiert. Dabei ist aber zu berücksichtigen, daß das dort betrachtete Hénon-Heiles-System durch eine Hamilton-Funktion vom Gustavson-Typ (1.61) beschrieben wird, wodurch der für die Transformation auf Normalform notwendige Rechenaufwand erheblich geringer als bei dem hier diskutierten System ist (vgl. S. ).
Der Nomenklatur des Abschnitts 1.2.4 entsprechend nennen
wir die auf DFS-Normalform gebrachte Hamilton-Funktion der
Brown-Gabrielse-Magnetflasche .
Als Resultat unserer Rechnungen erhalten wir die Potenzreihendarstellung
von
bis zum Grad 14;
besteht aus 103 Monomen.
Das daraus durch Rücktransformation auf die ursprünglichen Koordinaten
berechnete Quasiintegral
setzt sich aus
415 Summanden zusammen. Wir geben hier nur die Terme zweiter bis vierter
Ordnung dieser Potenzreihen an und verweisen für die vollständige
Auflistung aller Terme auf Anhang D.
In diesem Zusammenhang ist es interessant, wie unterschiedlich komplex die auftretenden Polynome sind. Für diese Überlegung betrachten wir die Normalformtransformation von dem auf Seite besprochenen ,,passiven`` Standpunkt. Wir bezeichnen die ursprünglichen Koordinaten mit und die neuen Koordinaten, in denen die Hamilton-Funktion in DFS-Normalform ist, mit . Die folgende Tabelle gibt die Anzahl der Monome an, die jeweils zur Darstellung der Hamilton-Funktion bzw. des formalen Integrals der Bewegung (bis zum Grad 14 einschließlich) benötigt werden.
Koordinaten | Hamilton-Funktion | formales Integral |
Die Attribute ,,einfach`` und ,,kompliziert`` beziehen sich hier nur auf die funktionale Gestalt der Polynome. Man könnte natürlich fragen, inwiefern der Übergang von zu einer viel komplizierteren Hamilton-Funktion eine Vereinfachung (im eigentlichen Sinn) des betrachteten dynamischen Systems bedeutet -- denn Vereinfachung ist ja das Generalthema der Normalformentheorie (siehe zum Beispiel Seite ff). Die Auflösung dieses scheinbaren Widerspruches liegt darin, daß analytische Einfachheit im allgemeinen nicht dynamische Einfachheit impliziert -- und umgekehrt. Die dynamische Einfachheit der komplizierten Normalform beruht darauf, daß für ein zweites (formales) Integral in Gestalt des diagonalisierbaren Anteils von leicht zu finden ist. In diesem Sinn befindet sich für ein normalisiertes Hamilton-System (mit zwei Freiheitsgraden der Bewegung) die maximale dynamische Information schon im linearen Anteil der kanonischen Bewegungsgleichungen. In einem übertragenem Sinn werden wir somit Poincarés Anspruch nach der vollständigen Linearisierung der Bewegungsgleichungen (siehe Seite ) gerecht. Man vergleiche auch die Diskussion in Abschnitt 1.2.4.
Wir führen noch einige Besonderheiten des Resultates (4.23,4.24) an.
Wie wir im Zusammenhang mit Gl. (1.71b) erläutert haben, ist durch die Gleichung nicht eindeutig festgelegt -- man kann jeweils einen beliebigen Summanden zu hinzuaddieren. Um trotzdem eine eindeutige Normalformtransformation (die ja durch definiert ist) zu erhalten, haben wir im Laufe der Berechnungen stets aus dem Bildvektorraum von gewählt. Unter dieser zusätzlichen Bedingung wird auch das Quasiintegral (4.24) eindeutig.
ist eine gerade Funktion, weil schon die Hamilton-Funktion eine gerade Funktion ist. Für den Grad , ist für die homologische Gleichung (1.66a) trivial, und wir erhalten als Erzeugende . In der Nomenklatur von Abschnitt 1.2 gilt dann .
Da wir die Berechnungen in doppelter Genauigkeit durchgeführt haben, sind die numerischen Werte der Koeffizienten in Gl. (4.23,4.24) sehr genau. Die Berechnung der Poisson-Klammer von und -- die verschwinden muß, weil ein formales Integral für das Brown-Gabrielse-System ist -- zeigt, daß numerische Fehler in den Koeffizienten frühestens ab der zwölften Dezimale auftreten. Die meisten Koeffizienten sind aber noch erheblich genauer bekannt.
Stegemertens Satz 1.4 stellt lediglich sicher, daß ein formales Integral der Bewegung für das Brown-Gabrielse-System ist. Er macht keine Aussage darüber, ob auch unabhängig von der Hamilton-Funktion ist. (Man vergleiche hierzu die Fußnote auf Seite .) Zwar ist nach Konstruktion in Involution mit , aber über die lineare Abhängigkeit oder Unabhängigkeit der Gradienten dieser beiden Funktionen können wir keine Aussage machen. Man kann aber trotzdem dahingehend spekulieren, daß und die Hamilton-Funktion tatsächlich unabhängig voneinander sind: Die Potenzreihenentwicklung von unterscheidet sich kraß von dem Polynom , so daß es ein großer Zufall wäre, wenn ausgerechnet gegen eine Funktion konvergierte, deren Gradient ein Vielfaches des Gradienten der Hamilton-Funktion ist. Wir gehen deswegen im Zuge der folgenden Diskussion davon aus, daß die beiden Integrale und voneinander unabhängig sind.
In den folgenden Abschnitten 4.2 und 4.3 werden wir die Eigenschaften von eingehend untersuchen.