Wir betrachten ein kontinuierliches autonomes dynamisches System,
also gekoppelte Differentialgleichungen erster Ordnung,
Alle folgenden Überlegungen sind lokal in dem Sinn, daß das Vektorfeld lediglich in der Nähe des Fixpunktes untersucht wird und die durchzuführenden Koordinatentransformationen nur in einer Umgebung des Fixpunktes ,,beliebig genau`` angegeben werden können.
Wir beschränken uns auf Vektorfelder
,
die als vektorwertige Potenzreihe vorliegen:
(1.3) |
(1.4) |
(1.5) |
Mit Hilfe der Multiindex-Notation vereinfachen wir die Darstellung von
,
(1.6) |
(1.7) |
Der lineare Anteil des Vektorfeldes
kann mit Hilfe der
Jacobi-Matrix
(1.8) |
(1.9) |
Die fundamentale, der gesamten Normalformentheorie für
Differentialgleichungen zugrunde liegende Idee Poincarés
war es, das Vektorfeld durch eine -- in der Regel unendliche -- Folge
von Transformationen systematisch zu linearisieren.
Wenn dieses Programm ohne Abstriche durchgeführt werden
kann1.3,
wenn man also eine (lokal) invertierbare Koordinatentransformation
mit
(1.11) |
(1.12) |
Es bleibt also zu zeigen, ob und wie die linearisierende Transformation
(1.12) bestimmt werden kann. Hierfür untersuchen wir
zunächst, wie sich die Transformation
,
(1.13) |
Punkt (i) ermöglicht die Anwendung eines iterativen Verfahrens für die Normalisierung des Vektorfeldes: Für transformieren wir sukzessive mittels einer ,,Erzeugenden`` . Dabei ist durch (i) sichergestellt, daß das Ergebnis der vorangegangenen Transformationen mit , d. h. die weitestmögliche Eliminierung der Grad -Terme des Vektorfeldes, durch nicht mehr verändert wird.
Mit Hilfe von (ii) können wir genauer formulieren, was ,,Normalisierung``
in diesem Zusammenhang überhaupt bedeuten kann. Im Sinne der
Poincaréschen Idee wollen wir mit der von
erzeugten
Transformation die Vektorfeldanteile vom Grad zum
Verschwinden bringen, also
Zur Diskussion von Gl. (1.19) definieren wir
(1.16) |
(1.17) |
Damit erhalten wir für die zu lösende Gl. (1.19):
Eine Gleichung dieses Typs heißt nach Arnold [Ar83]
homologische Gleichung. und
sind bekannt,
ist zu bestimmen.
Die Formulierung von Gl. (1.19) in der Form von Gl. (1.23)
erscheint an dieser Stelle unnötig kompliziert. Im Hinblick auf die
im Anschluß zu besprechende Verallgemeinerung der Bedingung
, Gl. (1.23b'), erweist sich diese Darstellung aber
tatsächlich als sinnvoll.
Falls für diese Gleichung eine Lösung
existiert, findet man sie mit Hilfe der Zerlegung von in den
Bildvektorraum
von und einen dazu
komplementären Untervektorraum :
(1.18) |
Die Bedingung
ist im allgemeinen nicht
erfüllt.
Wenn
ist, dann kann man die homologische Gleichung
zwar nicht mehr
mit
lösen,
wohl aber sie dieser Lösung so nahe wie möglich bringen, indem man
lediglich fordert, daß die schwächere Nebenbedingung
erfüllt wird. Eine -- nicht eindeutige -- Lösung der homologischen
Gleichung unter dieser schwächeren Nebenbedingung
(1.23b') findet man mit
Wir haben demnach nicht nur die erzeugende Funktion
der
Transformation geeignet zu wählen, sondern wir müssen auch
so bestimmen, daß es im Kern von liegt.
kann gegebenenfalls auch sein; dies hängt
von dem anfangs in Gl. (1.3) vorgegebenen Vektorfeld
ab.
Die durch die Transformation (1.16) nicht wegtransformierbaren Anteile heißen resonant. Eine Motivation dieser Bezeichnungsweise findet sich beispielsweise in [Wi90]. Man vergleiche auch die im nächsten Abschnitt abgeleitete Resonanzbedingung (1.40).
Mit einer Induktion nach erhalten wir somit
(1.18) |
(1.19) |
Die Anwendung des Poincaré-Dulac-Theorems in der Nähe eines hyperbolischen Fixpunktes beweist den formalen Teil des Hartman-Grobman-Theorems. Daß die linearisierende Transformation nicht nur eine formale Potenzreihe, sondern sogar ein Homöomorphismus ist, läßt sich auf diese Weise allerdings nicht nachweisen [GuHo83].
Die Transformation eines Vektorfeldes auf seine Normalform kann eine wesentliche Vereinfachung darstellen. Bifurkationstheorie wäre beispielsweise nicht möglich ohne die Klassifizierung von Vektorfeldern mit den Mitteln der Normalformentheorie [IoAd92]. Im Hinblick auf die Konstruktion einer vollständigen Lösung der Differentialgleichung gemäß Gl. (1.15a) stellt jedoch jeder resonante Term des Vektorfeldes eine unüberwindliche Hürde dar, weil er die Linearisierung unmöglich macht.
Die Normalformentheorie ist eine formale Theorie: Die einzelnen Beiträge zur Erzeugenden und die resonanten Terme des Vektorfeldes können zwar sukzessive für alle Grade bestimmt werden, aber über das Konvergenzverhalten von bzw. kann im allgemeinen keine Aussage gemacht werden, und oft divergieren diese Reihen. Konvergenzaussagen in einigen speziellen Fällen gehen auf Poincaré und Siegel zurück und werden in [SiMo71,Ar83] erörtert. Beispiele divergenter Transformationen auf Normalform -- im Rahmen der Dragt-Finn-Stegemertenschen Normalformentheorie für Hamilton-Systeme -- werden in den Kapiteln 4 und 5 diskutiert. Selbst im Fall der Divergenz reichen aber oft schon die niedrigsten Terme der Normalform und der damit konstruierten näherungsweisen Lösung aus, um beispielsweise das Phasenportrait des Systems qualitativ angeben zu können [Ar83].