Ausgehend von der in Abschnitt 4.2 gemachten Beobachtung,
daß die Geschwindigkeit der Divergenz von
wesentlich vom Startwert
abhängt, quantifizieren wir im folgenden diese Divergenzgeschwindigkeit
und stellen das Resultat graphisch als Funktion von
dar.
Zunächst betrachten wir einen einzigen, festen Startwert
.
Wir gehen davon aus, daß wir zuvor die Quasiintegrale
der Ordnungen
berechnet haben.
Für jedes dieser
berechnen wir jeweils erst den
Mittelwert von
,
| (4.18) |
Um die zu unterschiedlichen Startwerten
gehörenden
Standardabweichungen
miteinander vergleichen zu können, führen wir schließlich noch die
normierten Standardabweichungen
ein:
| (4.20) |
Da wir uns für Konvergenzfragen interessieren, müssen wir nun
untersuchen, wie sich die
als Funktionen
von
verhalten.
Über eine gesamte Trajektorie hinweg ist das Quasiintegral
konvergent (in dem betrachteten
-Intervall) , wenn
Bei einem konvergenten Quasiintegral mit dem Startwert
gilt für
den Grad
, bei dem
minimal
wird:
. Im Fall der Divergenz kann
einen der Werte
annehmen.
In Abbildung 4.11 haben wir eine typische Situation dargestellt.
In den Abbildungen 4.12 bis 4.14 haben wir
für das Brown-Gabrielse-System farbkodiert aufgetragen.
Abbildung 4.12 skizziert
bei der niedrigen Energie
. Bei dieser Energie sind im Poincaré-Plot noch keine
stochastischen Regionen oder Inselketten zu erkennen, und so ist das
konvergente (grüne) Gebiet sehr groß. Der Übergang zur Divergenz
(rot) geschieht dann schlagartig bei größer werdendem Abstand zum
Ursprung. Interessanterweise deutet sich aber im Zentralbereich von
schon divergentes Verhalten des Quasiintegrals an, der Grad
mit minimalem
ist hier nicht mehr
.
Außerdem fällt ein schmaler Ring mit
auf, der inmitten
der grün-konvergenten Region verläuft. Kündigt sich hier trotz der
niedrigen Energie schon das
Aufbrechen einer KAM-Linie in eine Poincaré-Birkhoff-Kette an?
In Abbildung 4.13, bei der Energie
, ist die dominante,
aus sechs Inseln bestehende Birkhoff-Kette (vgl. Abbildung
3.9) deutlich zu erkennen.
Bei diesem
-Plot verwundert vor allem, daß die Umgebung
der sechs periodischen Punkte der angesprochenen Inselkette nicht durch
einen besonders hohen Wert von
ausgezeichnet ist,
wie man es für die dortige reguläre Dynamik erwarten würde.
hat hier lediglich den Wert 8. Darüber hinaus wird die
Inselkette durch ein Band konvergenteren Verhaltens (
)
eingeschlossen. Dies ist um so erstaunlicher, als dieses
Band in einer stochastischen Region verläuft, wie der Vergleich mit
Abbildung 3.9 zeigt.
In den meisten Punkten der Abbildung 4.13 nimmt
den Minimalwert
an, was
verständlich ist, weil bei einer so hohen Energie (
) kaum noch
gute Konvergenzeigenschaften des Quasiintegrals zu erwarten sind.
Der Poincaré-Plot bei dieser Energie, Abbildung 3.12, besteht
-- neben einem
auffallenden 2-Zyklus, den wir auch in Abbildung 4.14 eindeutig
identifizieren können -- vor allem aus einer großen stochastischen
Region. Diese Region wird im
-Plot nicht strukturlos,
sondern mit einer durchaus regelmäßigen Verteilung der
-Werte
dargestellt. Ein Rest von Ordnung im Chaos? Jedenfalls deutet unsere
Abbildung an, daß die Divergenzgeschwindigkeit in einer chaotischen
Region sehr inhomogen sein kann. Diese Beobachtung könnte
ein Ansatzpunkt für die weitergehende Untersuchung der stochastischen
Gebiete unseres Systems sein -- eine solche Untersuchung würde aber den
Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen.
Auch bei Abbildung 4.14 fällt auf, daß das Zentrum des
großen 2-Zyklus mit kleineren
-Werten dargestellt wird als seine
unmittelbare Umgebung. Demnach divergiert
auf den die
periodischen Punkte umgebenden invarianten Linien langsamer als in den
periodischen Punkten selbst.
Zusammenfassend stellen wir fest, daß die hier neu eingeführten
-Plots ein äußerst nützliches Hilfsmittel zur
Charakterisierung der Poincaré-Fläche sein können und insbesondere
solche Gebiete von
weitergehend klassifizieren können, die
im Poincaré-Plot unterschiedslos als homogene Regionen regulären
(oder auch chaotischen) Verhaltens dargestellt werden.
Bisher konnten wir schon anhand der
-Plots eine erstaunlich
reichhaltige
Struktur in der Poincaré-Fläche nachweisen. Wir versuchen nun, die
Auflösung des Verfahrens
weiter
zu erhöhen, denn es erweist sich bei den
-Plots als nachteilig, daß zur Charakterisierung
von
lediglich sieben mögliche Werte für
zu Verfügung stehen:
.
Die Abbildungen 4.1 bis 4.6, ebenso wie Abbildung
4.11, lassen die Vermutung zu, daß die Divergenz des
Quasiintegrals und damit auch das Verhalten von
als Funktion von
einer gewissen
Regelmäßigkeit unterliegen. Um diese Beobachtung quantitativ zu machen,
versuchen wir,
durch eine
Exponentialfunktion zu nähern,
und der ,,Exponent``
-- der
hier eine ähnliche Bedeutung wie der Ljapunov-Exponent hat --
lassen sich näherungsweise mit der Methode der kleinsten Quadrate (vgl. [BrSe85, S. 787]) aus den
berechnen.
Der direkte Vergleich des Graphen der Funktion
mit den Punkten
ergibt, daß in den
meisten Fällen die Approximation (4.34) recht gut ist.
Wir demonstrieren dies in Abbildung 4.15; die folgende Tabelle
gibt die für die Abbildung verwendeten Parameter
und
sowie
die daraus berechneten Exponenten
an.
Abbildung 4.15c ist die entsprechende Darstellung für ein
Quasiintegral, das bis zum Grad 8 konvergent ist, um dann für größere
zu divergieren -- eine ähnliche Situation wie in Abbildung
4.4. Dieses Verhalten wird offensichtlich durch eine
einfache Exponentialfunktion nicht vollständig reproduziert.
Andererseits können wir diese Einschränkung zur Methode machen und
von nun an nur das asymptotische Verhalten bei möglichst großen
untersuchen.
Nachdem das in Abbildung
4.15c dargestellte
sein
Minimum bei
durchlaufen hat, steigt es in etwa exponentiell an und
kann dann gemäß Gl. (4.34) sinnvoll genähert werden.
Wir beschränken uns deshalb bei der
-Methode auf
die
-Werte
. Weil das Quasiintegral
nur bis zur Ordnung 14 vorliegt, können wir keine größeren Werte von
in die Rechnung einbeziehen, obwohl dies natürlich wünschenswert
wäre.
Inwieweit das hier skizzierte Vorgehen -- insbesondere die Tatsache, daß
wir die
mit
vernachlässigen
-- sinnvoll ist, muß weiter unten
anhand der Ergebnisse der Methode entschieden werden.
In diesem Zusammenhang illustrieren die Abbildungen 4.15a und
4.15b, daß man im Fall eindeutiger Konvergenz oder
Divergenz durch die Nichtberücksichtigung kleiner
-Werte die
Qualität der Approximation nicht wesentlich beeinträchtigt.
Die
-Methode weist gegenüber dem
-Verfahren den Vorteil auf, daß wir eine den Phasenraum
charakterisierende Funktion
erhalten, deren
Wertespektrum im Gegensatz zu dem von
kontinuierlich ist.
Wir erwarten, daß sich dadurch die Eigenschaften des Phasenraumes
detaillierter abbilden lassen.
Je größer
ist, desto divergenter sollte sich das
Quasiintegral mit dem Startwert
verhalten und umso chaotischer
ist das Gebiet der Poincaré-Fläche, aus dem der Startwert
entnommen wurde. Umgekehrt bedeutet ein negativer Wert von
Konvergenz -- zumindest für die bei der Rechnung verwendeten Werte von
-- was auf den regulären Charakter des entsprechenden
Phasenraumgebietes hinweist. Wenn
zwar positiv, aber
klein ist, dann divergiert das Quasiintegral zwar, es deutet sich aber
trotzdem noch ein Rest von Ordnung in der Dynamik an.
Falls der Ljapunov-Exponent in einer Region des Phasenraumes positiv und
klein ist,
spricht man von schwachem Chaos
Nach dem vorher Gesagten scheint es uns angebracht, diesen Begriff auch
für Phasenraumgebiete mit positiven, aber kleinen
-Werten zu verwenden.
Diese Interpretation des Exponenten
wird durch die
Abbildung 4.16 bestätigt, die trotz der groben Rasterung der
Bildpunkte ein detailreiches Bild der Poincaré-Fläche zeichnet und
reguläre und chaotische Gebiete in recht guter Übereinstimmung mit
Abbildung 3.9 identifiziert.
Insgesamt scheint damit unser Vorgehen -- insbesondere das Ignorieren der
mit
-- gerechtfertigt. Wir weisen aber
darauf hin, daß das
-Verfahren die besten Resultate bei
mittleren Energien (wie zum Beispiel
) erbringt. Wir haben zum
Vergleich auch
-Abbildungen bei den Energien
und
angefertigt. Bei der niedrigeren Energie ergab sich im wesentlichen das
gleiche Resultat wie im
-Plot 4.12; es wurden keine
zusätzlichen Strukturen gefunden. Der
-Plot zur
Energie
reproduzierte die in Abbildung 4.14 dargestellten
,,Strukturen im Chaos`` nur teilweise. Zumindest ergab sich aber auch mit
dem eher spekulativen
-Verfahren kein Widerspruch; das
heißt, wir haben mit diesem Verfahren keine Eigenschaften gefunden,
die im Widerspruch zu den Ergebnissen stehen, die man aus den
Poincaré-Schnitten erhält.
In den letzten beiden Abschnitten haben wir drei neue Verfahren
vorgeschlagen,
die sich sehr gut zur Analyse der Konvergenzeigenschaften des
Quasiintegrals
eignen. Darüber hinaus ist es
möglich,
mit Hilfe dieser Verfahren diejenigen Strukturen in der Poincaré-Fläche
zu reproduzieren und zu charakterisieren, die man gewöhnlich aus
Poincaré-Schnitten erhält.
Man kann den
-Abbildungen aber oft noch erheblich mehr
Information entnehmen als den entsprechenden Poincaré-Plots.
Dies gelingt zum Beispiel dann, wenn letztere nur
noch ein stochastisches
Gebiet zeigen, das aber mit Hilfe des Konvergenzverhaltens des
Quasiintegrals noch weitergehend charakterisiert werden kann.
Es sei an dieser Stelle angemerkt, daß man durch Berechnung des
Ljapunov-Exponenten für die Punkte der Poincaré-Fläche zu
vergleichbaren
Resultaten gelangen kann. Dies wird in [KaRo92] demonstriert.
Im Gegensatz zur Analyse mittels Ljapunov-Exponenten, die als rein
phänomenologische Größen berechnet werden, erhält man aber durch die
Verwendung der Quasiintegrale nicht allein Aussagen über die
Regularität, sondern auch über die Konvergenz der entsprechenden
normalisierenden kanonischen Transformation.
Ein Nachteil dieser globalen Verfahren zur Analyse der Poincaré-Fläche ist der sehr große numerische Aufwand. Um ein aussagekräftiges Bild zu gewinnen, muß man für sehr viele Punkte über ein längeres Zeitintervall hinweg Trajektorien durch numerische Integration berechnen, um die erforderlichen Mittelungsprozesse durchführen zu können. Ein Nachteil, den unsere Analysemethoden aber mit dem sich auf Ljapunov-Exponenten stützenden Verfahren gemein haben.