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Definition der Poincaré-Abbildung

Die in Abschnitt 3.1 vorgenommene Analyse, insbesondere die Abbildungen 3.3 und 3.5, deuteten schon darauf hin, daß -- zumindest bei Energien unterhalb der Sattelpunktsenergie 16/27 -- die Dynamik in der Brown-Gabrielse-Flasche im Zentralbereich um ${\rm N}_1$ herum typischerweise aus der Überlagerung zweier Oszillationen besteht: einer schnellen Oszillation in $\rho $-Richtung und einer viel langsameren Oszillation in $z$-Richtung. Dieses Verhalten läßt sich damit begründen, daß das Teilchen in $\rho $-Richtung schon in niedrigster (quadratischer) Ordnung gebunden ist, anders als in $z$-Richtung:

\begin{displaymath}
H_{\rm BG}(\rho,z,p_\rho,p_z) = \frac{1}{2}\left(p_\rho^2+\...
...eft(\vert{\mbox{\protect\boldmath$z$}}\vert^{4}\right)} \quad.
\end{displaymath} (3.17)

Es ist deshalb sinnvoll, als Poincaré-Schnittfläche $\Sigma\subset{\bf R}^4$ die $(z,p_z)$-Ebene zu wählen. Genauer haben wir:

\begin{displaymath}
\Sigma_E := \left\{ (\rho,z,p_\rho,p_z)^T\in{\bf R}^4 \; \B...
...\; p_\rho>0; \;
H_{\rm BG}(0,z,p_\rho,p_z)=E
\right\} \quad.
\end{displaymath} (3.18)

Dabei sind $z$, $p_\rho$ und $p_z$ nicht unabhängig voneinander wählbar, vielmehr ist der Radialimpuls $p_\rho$ aus der Bedingung $H_{\rm BG}=E$, also
$\displaystyle \quad
p_\rho(z,p_z)$ $\textstyle =$ $\displaystyle \sqrt{2 \left(E-V_{\rm BG}(0,z)\right) -p_z^2}$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \sqrt{2E-p_z^2}\quad,$ (3.19)

zu bestimmen. $\Sigma_E$ ist demnach durch
\begin{displaymath}
\Sigma_E = \left\{ (0,z,p_\rho,p_z)^T\in{\bf R}^4 \; \Big\v...
... \vert p_z\vert<\sqrt{2E}; \; p_\rho=\sqrt{2E-p_z^2}
\right\}
\end{displaymath} (3.20)

gegeben3.1. Man beachte an dieser Stelle noch, daß wir in der Definition (3.28) bzw. in Gl. (3.30) $p_\rho>0$ fordern, den Fall $p_\rho=\rho=0$ also ausschließen. Dies ist sinnvoll, denn die resultierende Dynamik ist in diesem Fall eine geradlinig-gleichförmige Bewegung entlang der $z$-Achse und somit uninteressant. Wir bemerken außerdem, daß $\Sigma_E$ in $z$-Richtung nicht beschränkt ist, im Einklang mit der Möglichkeit, daß sich eine Trajektorie im Konfigurationsraum entlang ${\rm N}_1$ beliebig weit vom Zentrum entfernen kann.

Die Poincaré-Abbildung $P$ ist wie gewöhnlich definiert als die Wiederkehrabbildung für die Punkte der Poincaré-Fläche:

\begin{displaymath}
\begin{array}{ccccl}
P & : & \Sigma_E & \to & \Sigma_E \\ ...
...dmath$z$}})}({\mbox{\protect\boldmath$z$}}) \quad;
\end{array}\end{displaymath} (3.21)

dabei ist $\Phi_t$ der (Phasen-) Fluß des Systems (3.6) und $\tau({\mbox{\protect\boldmath$z$}})$ die Zeit bis zur ersten Wiederkehr der in ${\mbox{\protect\boldmath$z$}}$ startenden Trajektorie zur Poincaré-Fläche.

Wir definieren hier die Poincaré-Fläche und dementsprechend die Poincaré-Abbildung nur für Energien $E$ mit $0<E<V_{\rm BG}(\rho_{\rm S},z_{\rm S})=16/27$. Denn weil $V_{\rm BG}$ nicht negativ werden kann, hätte $E=0$ zur Folge, daß die einzigen Lösungen der kanonischen Gleichungen Fixpunkte (im Ortsraum auf den Kurven ${\rm N}_{1,2,3}$ liegend) wären -- eine triviale Situation mit relativ uninteressanter Dynamik. Die Sattelpunktsenergie $E=16/27$ schließen wir aus, weil es in diesem Fall Punkte in $\Sigma_E$ gibt, für die die Wiederkehrzeit unendlich groß wird: Die beiden Sattelpunkte ${\rm S}_{1,2}$ des Potentials entsprechen dann Fixpunkten $(\rho_{\rm S_{1,2}},z_{\rm S_{1,2}},0,0)^T$ des Flusses $\Phi_t$. Für größere Energien als 16/27 ist nicht mehr sichergestellt, daß jede mit $\rho=0$ startende Trajektorie wieder zur Poincaré-Fläche zurückgelangt. Auch hier sind Singularitäten, das heißt Unstetigkeiten der Poincaré-Abbildung zu erwarten.

Zunächst ist nun zu überprüfen, ob die so definierte Abbildung $P$ die Anforderungen erfüllt, die man gewöhnlich an eine Poincaré-Abbildung stellt. So fordert man beispielsweise, daß der Fluß $\Phi_t$ die Poincaré-Fläche überall transversal schneidet und daß jeder Punkt ${\mbox{\protect\boldmath$z$}}\in\Sigma_E$ durch den Fluß nach endlicher Zeit $\tau({\mbox{\protect\boldmath$z$}})$ wieder auf $\Sigma_E$ abgebildet wird. Die erste Bedingung stellt sicher, daß $P$ stetig und gegebenenfalls sogar differenzierbar ist [PaMe82]. Und nur wenn die Wiederkehrzeit $\tau({\mbox{\protect\boldmath$z$}})$ für alle ${\mbox{\protect\boldmath$z$}}$ endlich ist, kann man sicher sein, daß die vollständige Dynamik durch die Poincaré-Abbildung repräsentiert wird.

Um diese Eigenschaften zu überprüfen, untersuchen wir die Radialbeschleunigung $\dot{p}_\rho$. Nach Gl. (3.6c) gilt

\begin{displaymath}
\quad
\dot{p}_\rho = -\rho \left[ 1+\frac{1}{2} \left(z^2-...
...frac{1}{2} \left(z^2-\frac{3}{4}\rho^2
\right) \right] \quad.
\end{displaymath} (3.22)

Im zentralen Teil des Ortsraumes, der durch die Äquipotentiallinien mit der Sattelpunktsenergie 16/27 begrenzt ist, sind die durch die beiden eckigen Klammern gegebenen Faktoren größer als null: Nullsetzen der ersten Klammer, $1+\frac{1}{2} \left(z^2-\frac{1}{4}\rho^2\right)=0$, ergibt die Darstellung (3.5b) der Nullpotentiallinien ${\rm N}_{2,3}$; deshalb liegen diejenigen Punkte $(\rho,z)$, für die die erste Klammer kleiner als null wird, rechts von ${\rm N}_2$ und links von ${\rm N}_3$ im Ortsraum. Die Punkte $(\rho,z)$, für die die zweite Klammer verschwindet, ergeben Kurven ähnlicher Gestalt, die die $\rho $-Achse in den Sattelpunkten ${\rm S}_{1,2}$ schneiden und sich ebenfalls zu großen $\vert\rho\vert$-Werten
hin öffnen. Insgesamt gilt also für den uns interessierenden Teil des Phasenraumes $\dot{p}_\rho {\protect\begin{array}{c}
>\protect\\ [-0.3cm]<
\protect\end{array}} 0$, falls $\rho {\protect\begin{array}{c}
<\protect\\ [-0.3cm]>
\protect\end{array}} 0$
ist. Dies beweist die Rückkehr aller Trajektorien zur $z$-Achse nach jeweils endlicher Zeit. Der Schnitt der Trajektorien mit dieser Achse ist transversal, denn wäre $p_\rho=0$ auf der $z$-Achse, so verliefe der gesamte Orbit auf dieser Achse, und solche Orbits haben wir von vornherein ausgeschlossen. Damit haben wir schließlich auch gezeigt, daß $\Sigma_E$ transversal vom Fluß $\Phi_t$ geschnitten wird.

Nach diesen Vorbereitungen können wir uns der numerischen Analyse der Brown-Gabrielse-Magnetflasche zuwenden und den Nachweis dafür führen, daß die Dynamik dieses Systems unter gewissen Bedingungen chaotisch ist.



Fußnoten

... gegeben3.1
Eine andere mögliche Wahl für die $\Sigma_E$ wäre die $(\rho,p_\rho)$-Ebene. Auch hiermit erhielte man eine gültige Poincaré-Abbildung mit endlichen Wiederkehrzeiten. Es ergäbe sich aber der für die praktische numerische Untersuchung gravierende Nachteil, daß diese Wiederkehrzeiten sehr viel größer wären.


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Martin_Engel 2000-05-25