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Nachweis gebundener Bewegung

In diesem Abschnitt gehen wir der Frage nach, ob in dem Brown-Gabrielse-Potential $V_{\rm BG}$ gebundene Bewegungen möglich sind. Zur Beantwortung dieser Frage sucht man gewöhnlich isolierte lokale Minima des Potentials, weil diese Ljapunov-stabil sind und somit in einer hinreichend kleinen Umgebung eine gebundene Bewegung ermöglichen [Ar89]. Dieses Verfahren ist aber im Falle von $V_{\rm BG}$ nicht anwendbar, weil es keine isolierten Minima gibt. Vielmehr sind die Punkte minimalen Potentials hier die durch die Gln. (3.5a,3.5b) beschriebenen Kurven ${\rm N}_{1,2,3}$ in der $(\rho,z)$-Ebene. Darüber hinaus ist der zugängliche Teil des Konfigurationsraumes sogar für Teilchen mit niedriger Energie $E$ nicht beschränkt, wie die Abbildung 3.2 zeigt: Das Gebiet mit $V_{\rm BG}(\rho,z)\leq E$ erstreckt sich in der Nähe der $z$-Achse und ebenso entlang der Linien ${\rm N_{2,3}}$ bis ins Unendliche. Deshalb ist der gebundene Charakter der Teilchenbahnen nicht offensichtlich.

Andererseits veranschaulicht aber die Abbildung 3.2, daß fast alle Trajektorien -- alle bis auf diejenigen, die auf der $z$-Achse mit verschwindendem Radialimpuls $p_\rho$ starten -- irgendwann auf eine der ,,Potentialwände`` stoßen, die die Potentialmulden um ${\rm N}_{1,2,3}$ herum einschließen. Die Trajektorien werden dort reflektiert, was schließlich nach einigen solcher Reflexionen dazu führt, daß die ursprünglich auslaufende Trajektorie wieder in die Nähe des Ursprungs zurückkehrt. In Abbildung 3.3 zeigen wir diesen Einschlußmechanismus an einem typischen Beispiel.

\begin{figure}
% latex2html id marker 74728
\hspace*{-0.3cm}
%%
<tex2html_file...
...$V_{\rm BG}$\ ist als d\uml {u}nne Linie
eingezeichnet.
%%
\par
}\end{figure}

Im folgenden geben wir eine genauere Begründung dieser anschaulichen Betrachtungen. Dazu untersuchen wir die sich aus Gl. (3.1) ergebenden Hamiltonschen Gleichungen:
\begin{subequations}
\begin{eqnarray}
\dot{\rho} & = & p_\rho \\ [0.2cm]
\dot...
...{1}{2}\rho^2z^3+\frac{1}{8}\rho^4z
\quad.
%%
\end{eqnarray}\end{subequations}
Wir betrachten als erstes ein Teilchen mit der Energie $E$, das sich entlang der Potentialmulde ${\rm N}_1$ in positiver $z$-Richtung bewegt und um die $z$-Achse oszilliert. Wir weisen nach, daß das Teilchen bei hinreichend großem

$\vert z\vert$ schließlich umkehren und in das Zentrum zurücklaufen muß. Für große $z$ erhalten wir aus Gl. (3.6d):

\begin{displaymath}
\quad \dot{p}_z \approx -\frac{1}{2}\rho^2z^3 \quad.
\end{displaymath}

Das Potential $V_{\rm BG}$ ergibt für große $z$:

\begin{displaymath}
\quad V_{\rm BG}(\rho,z) \approx \frac{1}{8}\rho^2 z^4 \quad,
\end{displaymath}

woraus wir wegen $V_{\rm BG}(\rho,z)\leq E$

\begin{displaymath}
\rho^2 {\protect\begin{array}{c}
<\protect\\ [-0.3cm]\sim
...
...end{array}} \frac{8E}{z^4} \quad \mbox{f\uml {u}r} \quad z\gg1
\end{displaymath}

folgern. Mit der Definition
\begin{displaymath}
V_{\rm as}(z) := 4E \log z
\end{displaymath} (3.3)

erhalten wir schließlich:
\begin{displaymath}
\quad
\dot{p}_z {\protect\begin{array}{c}
<\protect\\ [-0...
...d{array}} - \frac{4E}{z}
= - \frac{d}{dz}V_{\rm as}(z) \quad.
\end{displaymath} (3.4)

Im asymptotischen Bereich wirkt demnach auf das Teilchen eine stärkere rücktreibende Kraft in $z$-Richtung als durch das eindimensionale Potential $V_{\rm as}(z)$ erzeugt wird. Weil aber schon $V_{\rm as}(z)$ zu einer gebundenen Bewegung führt -- denn dieses Potential wächst unbeschränkt mit $z$ -- kann das Teilchen entlang ${\rm N}_1$ in positiver $z$-Richtung nicht entweichen. Aus Symmetriegründen ist das Teilchen dann auch in negativer $z$-Richtung gebunden.

Wir diskutieren nun die Möglichkeit eines ,,Escapes`` entlang der durch Gl. (3.5b) beschriebenen Potentialminima ${\rm N}_{2,3}$. Dabei betrachten wir zunächst nur denjenigen Ast des Minimums ${\rm N}_2$, der im ersten Quadranten liegt. Für die andere Hälfte von ${\rm N}_2$ und für ${\rm N}_3$ folgt dann das gleiche Resultat, wiederum wegen der Symmetrie des Potentials.

Für große $\rho,z>0$ folgt aus Gl. (3.5b) $z_{\rm N_2}\approx\frac{1}{2}\rho$. Deshalb ist es günstig, zu neuen Koordinaten $(x_1,x_2)$ überzugehen, die aus $(\rho,z)$ durch eine Drehung um den Winkel $\psi:=\arctan\frac{1}{2}$ hervorgehen:

$\displaystyle \quad
{x_1 \choose x_2}$ $\textstyle :=$ $\displaystyle \left( \begin{array}{@{}rr}
\cos\psi & \sin\psi \\
-\sin\psi & \cos\psi
\end{array}\right) {\rho \choose z}$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle s \left( \begin{array}{@{}rr}
2 & 1 \\  -1 & 2
\end{array}\right) {\rho \choose z} \quad.$ (3.5)

Hierbei haben wir $\cos\psi=2\sin\psi$ und die Abkürzung $ s:=\sin\psi=1/\sqrt{5}$ verwendet. Anschaulich bedeutet diese Koordinatentransformation, daß die $\rho $-Achse mit der Asymptote $z=\frac{1}{2}\rho$ zur Deckung gebracht ( $\rho\leadsto x_1$) und die $z$-Achse entsprechend mitgedreht wird ($z\leadsto x_2$).

Bevor wir die kanonischen Gleichungen (3.6) in den neuen Koordinaten auswerten, leiten wir eine für das Folgende nützliche Abschätzung her. In der Umgebung der Nullpotentiallinie ${\rm N}_2$ wird der zugängliche Bereich des Konfigurationsraumes -- definiert durch die Bedingung $V_{\rm BG}\leq E$ -- mit zunehmendem $x_1$ schmaler (vgl. Abbildung 3.2). $\vert x_2\vert _{\rm max}(x_1)$ sei der größtmögliche Betrag von $x_2$ im zugänglichen Bereich an der Stelle $x_1$. Mit wachsendem $x_1$ wird $\vert x_2\vert _{\rm max}(x_1)$ also immer kleiner. Um dies quantitativ zu erfassen, definieren wir als erstes

\begin{displaymath}
\quad z_E(\rho) := \sqrt{ \frac{1}{4}\rho^2-2-\frac{\sqrt{8E}}{\rho} }
\quad.
\end{displaymath} (3.6)

Wie man der Gl. (3.3) entnehmen kann, parametrisiert $z_E(\rho)$ die im ersten Quadranten rechts von ${\rm N}_2$ verlaufende Höhenlinie des Potentials $V_{\rm BG}$ zum Potentialwert $E$. Den vertikalen Abstand zwischen der Asymptote $z=\frac{1}{2}\rho$ und $z_E(\rho)$ nennen wir $\Delta(\rho)$:
\begin{displaymath}
\quad \Delta(\rho) := \frac{1}{2}\rho-z_E(\rho) \quad.
\end{displaymath} (3.7)

Abbildung 3.4 veranschaulicht diese Größen.

\begin{figure}
% latex2html id marker 80828
\hspace*{-1.0cm}
%%
<tex2html_file...
... erscheint als d\uml {u}nne vertikale Linie.
\vspace*{0.8cm}
\par
}\end{figure}

Offensichtlich gilt für hinreichend große $x_1$:
\begin{displaymath}
\quad \vert x_2\vert _{\rm max}(x_1) < \Delta\Big(\rho(x_1,x_2)\Big) \quad,
\end{displaymath} (3.8)

denn beide Höhenlinien $V_{\rm BG}(\rho,z)=E$ verlaufen für genügend große $\rho $ unterhalb der Asymptote $z=\frac{1}{2}\rho$, wie wiederum Gl. (3.3) zeigt. $\Delta(\rho)$ kann nach Potenzen von $1/\rho$ entwickelt werden:

\begin{displaymath}
\quad \Delta(\rho) = \frac{2}{\rho} +
{\cal O}\left(\frac{1}{\rho^2}\right) \quad.
\end{displaymath}

Unter Vernachlässigung der $x_2$-Abhängigkeit können wir $\rho $ als Funktion von $x_1$ allein interpretieren, weil nach Gl. (3.9) für große $x_1$ gilt: $\rho=2sx_1-sx_2\approx 2sx_1$. Damit erhalten wir für $\vert x_2\vert _{\rm max}(x_1)$:
$\displaystyle \quad
\vert x_2\vert _{\rm max}(x_1)$ $\textstyle <$ $\displaystyle \frac{2}{\rho} + {\cal O}\left(\frac{1}{\rho^2}\right)$  
  $\textstyle =$ $\displaystyle \frac{1}{sx_1} + {\cal O}\left(\frac{1}{x_1^2}\right)
\quad \mbox{f\uml {u}r} \quad x_1\gg 1 \quad.$ (3.9)

Mit Hilfe dieser Näherung können wir jetzt untersuchen, wie sich die kanonischen Gleichungen in den neuen Koordinaten darstellen.

Aus Gl. (3.6) erhalten wir den folgenden Ausdruck für $\ddot{x}_1$:

$\displaystyle \ddot{x}_1$ $\textstyle =$ $\displaystyle -4s^2x_1+2s^2x_2-30s^4x_1^2x_2+5s^4x_1x_2^2
-50s^6x_1^3x_2^2$  
    $\displaystyle {}+5s^4x_2^3-\frac{75}{4}s^6x_1^2x_2^3
+\frac{275}{16}s^6x_1x_2^4+\frac{75}{32}s^6x_2^5$  
  $\textstyle \approx$ $\displaystyle {}s^2x_1 \left\{ -4-30s^2x_1x_2-50s^4x_1^2x_2^2
\right\} \quad \mbox{f\uml {u}r} \quad x_1\gg 1 \quad.$ (3.10)

Im letzten Schritt haben wir die Näherung (3.13) ausgenutzt, um $x_2$ gegen $x_1$ abzuschätzen. Der Inhalt der geschweiften Klammer ist wegen derselben Näherung kleiner als $C:=-4+6/\sqrt{5}<0$. Dies beweist schließlich, daß die Bewegung in $x_1$-Richtung gebunden ist, weil das Teilchen für große $x_1$ eine rücktreibende Kraft erfährt, die stärker ist als die (harmonische) Kraft $s^2Cx_1$:
\begin{displaymath}
\quad \ddot{x}_1 {\protect\begin{array}{c}
<\protect\\ [-0...
...nd{array}} s^2Cx_1
\quad \mbox{f\uml {u}r} \quad x_1\gg 1 \ .
\end{displaymath} (3.11)

Insgesamt haben wir damit gezeigt, daß nur auf der $z$-Achse ein Entweichen möglich ist. In Abbildung 3.5 demonstrieren wir an einem typischen Orbit den gebundenen Charakter der Bewegung. Es kann gegebenenfalls recht lange dauern, bis das Teilchen in den Kanälen ${\rm N}_{2,3}$ zur Umkehr gezwungen wird.

\begin{figure}
% latex2html id marker 93629
\par\vspace*{0.2cm} %% alt: {-0.5cm}...
... Teilchen schlie\ss{}lich bei
$\rho\approx 15$\ reflektiert.
%%
}\end{figure}


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Martin_Engel 2000-05-25