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Schluß



Wir haben uns in dieser Arbeit ausführlich mit der Teilchendynamik in magnetischen Flaschen beschäftigt, die für viele praktische Anwendungen wichtig sind. Im Rahmen der konventionellen Analyse der Brown-Gabrielseschen Magnetflasche konnten wir den gebundenen Charakter der Bewegung in diesem System nachweisen, fanden ein typisches KAM-Szenario und wiesen damit den teilweise irregulär-chaotischen Charakter der Teilchenbewegung nach.

In Kapitel 4 haben wir beschrieben, wie erstmalig die Anwendung der Dragt-Finn-Stegemertenschen Normalformentheorie gelang. Wir haben mit den Mitteln der linearen Algebra ein Verfahren entwickelt, mit dem die Hamilton-Funktionen magnetischer Flaschen bis zu sehr hohen Ordnungen in DFS-Normalform transformiert werden können. Dabei erwies sich die Verwendung einer hier neu eingeführten Anordnung (,,Magnetflaschenanordnung``) der Basismonome des Raumes $\L _m$ als äußerst nützlich. Unter Verwendung unseres Normalisierungsverfahrens konnten wir die Normalform und das Quasiintegral der Brown-Gabrielse-Magnetflasche bis zur vierzehnten Ordnung angeben. Dies ist die höchste uns bekannte Ordnung einer Normalformtransformation.

Wir haben das Quasiintegral $I_{\rm BG}^{(m)}$ für einzelne Punkte der Poincaré-Fläche auf seine Konvergenzeigenschaften hin überprüft. Für hinreichend niedrige Energien konvergierte $I_{\rm BG}^{(m)}$ -- in dem betrachteten $m$-Intervall -- bei geeigneter Wahl des Startpunktes ${\mbox{\protect\boldmath$s$}}$ sehr gut, obwohl für magnetische Flaschen das zugängliche Teilgebiet des Phasenraumes unbeschränkt ist. Bei höheren Energien oder einem ungünstigeren Startwert ${\mbox{\protect\boldmath$s$}}$ trat die für ein nichtintegrables System erwartete Divergenz ein.

Diese ortsabhängigen Konvergenz- bzw. Divergenzeigenschaften von $I_{\rm BG}^{(m)}$ ausnutzend, haben wir drei neue Verfahren zur

Analyse des Phasenraumes vorgeschlagen und am Beispiel unserer Modellmagnetflasche nachgewiesen, daß man mit diesen Verfahren zumindest die aus den Poincaré-Plots bekannten Strukturen wie invariante Linien und Poincaré-Birkhoff-Ketten reproduzieren kann. Darüber hinaus gelang es auch, ähnliche Strukturen in Teilgebieten der Poincaré-Fläche zu identifizieren, die sich im Poincaré-Schnitt lediglich als die homogene Punktwolke einer stochastischen Region darstellen. Es bleibt zukünftigen Untersuchungen vorbehalten, die Natur dieser bislang unbekannten Strukturen zu erforschen und die Ursachen ihrer Entstehung zu klären. Dabei könnte es sich, ähnlich wie in [KaRo92], als nützlich erweisen, die Konvergenz- bzw. $m_0({\mbox{\protect\boldmath$s$}})$- und $\alpha({\mbox{\protect\boldmath$s$}})$-Plots mit einer entsprechenden Darstellung des Ljapunov-Exponenten zu vergleichen.

Eng verbunden mit dieser Problematik ist die Frage nach allgemeinen theoretischen Kriterien für die Geschwindigkeit, mit der ein Quasiintegral konvergiert bzw. divergiert. Sind diese Eigenschaften schon an der ursprünglich gegebenen Hamilton-Funktion abzulesen? Wir konnten diesbezüglich in dem für diese Arbeit vorgegebenen Zeitrahmen nur einige sehr grobe Vergleiche anstellen. Bei welchem Grad $m_0({\mbox{\protect\boldmath$s$}})$ tritt insbesondere der Umschlag von Konvergenz zur Divergenz ein? Dies ist eine wesentliche Fragestellung, wenn man an einem möglichst konstanten Quasiintegral interessiert ist und wissen will, bis zu welcher Ordnung $I_{\rm BG}^{(m)}$ hierfür berechnet werden muß. Umgekehrt bedeutete bei einem System mit zwei Freiheitsgraden der Bewegung der Nachweis der Konvergenz des Quasiintegrals für $m\to\infty$ die Integrabilität des Systems -- das Wunschresultat bei der ,,Suche nach dem zweiten Integral der Bewegung``.

Es stellt sich schließlich auch die Frage, inwiefern das Konvergenzverhalten der Normalformtransformation durch die Wahl der Erzeugenden $F_m$ beeinflußbar ist -- wir haben mehrfach darauf hingewiesen, daß diese Funktion bei der Lösung der homologischen Gleichung nicht eindeutig festgelegt ist, so daß man gegebenenfalls durch eine geschickte Wahl von $F_m$ eine erheblich bessere Konstanz des Quasiintegrals erzielen könnte.

Nachdem wir in der vorliegenden Arbeit die DFS-Theorie in der praktischen Anwendung etabliert haben, kann man nun beispielsweise versuchen, diese Theorie dort anzuwenden, wo schon die Birkhoff-Gustavson-Theorie Erfolge zu verzeichnen hatte. Hier sind vor allem die Beschreibung der quantenmechanischen Pendants und die Quantisierung chaotischer klassisch-mechanischer Systeme zu nennen. Auf diesem Gebiet findet die Birkhoff-Gustavson-Normalform schon seit einiger Zeit eine wichtige Anwendung; man vergleiche hierzu [SwDe79,ShRe82,Ro84,Ec86,Cr90].

Wir haben offensichtlich mit der Anwendung der verallgemeinerten Normalformentheorie nicht nur eine Lücke geschlossen, sondern gleichzeitig einige neue untersuchenswerte Fragen aufgeworfen.









...the rest is silence.
WILLIAM SHAKESPEARE
Hamlet, Prince of Denmark


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Martin_Engel 2000-05-25