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Die ,,Mirror Machine`` nach Dragt und Finn

In den beiden vorangegangenen Abschnitten haben wir gesehen, wie man sich auf systematische Weise ein Magnetfeld verschaffen kann, in dem der dauerhafte Einschluß eines geladenen Teilchens möglich ist. Ein mögliches Resultat war die oben diskutierte Magnetflasche nach Brown-Gabrielse.

Welche Eigenschaften des oben diskutierten Feldes ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm BG}$ sind nun wesentlich für den Einschluß des Teilchens? Dies ist eine sinnvolle und wichtige Frage, solange man nicht ein konkretes System beschreiben, sondern ganz allgemein magnetische Flaschen und deren charakteristische Eigenschaften diskutieren will. Wir suchen also ein Magnetfeld, das ebenso wie ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm BG}$ zu einer gebundenen Bewegung des Teilchens führt, dabei aber ,,einfacher`` ist. Dies ist insbesondere für die sich anschließende Berechnung der entsprechenden Normalform von Bedeutung, denn der Vergleich einiger Normalformtransformationen in Kapitel 5 wird zeigen, daß die Normalform einer Hamilton-Funktion und ihr Quasiintegral um so einfacher sind, je einfacher die Hamilton-Funktion selbst ist. (In diesem Zusammenhang nennen wir eine Hamilton-Funktion einfach, wenn sie aus nur wenigen Summanden besteht.)

Aus Abbildung 2.1 kann man entnehmen, daß die einfachste Bewegung im Magnetfeld ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm BG}$ (im Falle $B_0B_2>0$) in der Nähe einer Feldlinie nahe der $z$-Achse stattfindet: Die Feldlinien verlaufen dort fast parallel zur $z$-Achse, mit lediglich einer leichten Wölbung in positiver $\rho $-Richtung. Mittels ,,trial and error`` findet man [DrFi79], daß das Magnetfeld ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}$, welches man aus (2.24) durch Fortlassen des Termes $-\frac{1}{2}B_2\rho^2{\mbox{\protect\boldmath$e$}}_z$ erhält,

\begin{displaymath}
\quad {\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}(\rho,z) := B_0...
...e$}}_\rho + z^2{\mbox{\protect\boldmath$e$}}_z \right]
\quad,
\end{displaymath} (2.34)

genau diese Feldlinienstruktur aufweist; bei ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}$ gibt es keine Feldlinien, die für große $\vert z\vert$ nicht gegen die $z$-Achse konvergieren. Dies läßt sich auch aus der Gleichung ablesen, der die ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}$-Feldlinien genügen:
\begin{displaymath}
\quad
z_{\rm DF}(\rho) = \pm \sqrt{ -\frac{B_0}{B_2}+\frac...
...}
\quad \left(C=\mbox{konst.}, \;\; \rho\neq 0\right)
\quad.
\end{displaymath} (2.35)

(Die Herleitung dieser Formel für $z_{\rm DF}(\rho)$ erfolgt analog zur Berechnung von $z_{\rm BG}(\rho)$ in Abschnitt 2.2.) Man vergleiche hierzu die Abbildung 2.3,

\begin{figure}
% latex2html id marker 23970
\hspace*{-1.5cm} %% alt: \hspace*{-...
...dimensionale Bild durch Rotation der Feldlinien um die
$z$-Achse. }\end{figure}

die das Dragt-Finnsche Magnetfeld zeigt, mit Abbildung 2.1. Dragt und Finn sprechen von diesem System als einer ,,Mirror Machine``. Dieser Name beschreibt anschaulich die Bewegung eines Teilchens. Es läuft, einer Feldlinie folgend, nach oben, wird irgendwann durch die konvergierenden Feldlinien ,,gespiegelt``, läuft zurück nach unten, erleidet dort das gleiche Schicksal, und so fort. Die Bewegung ist wie im Falle des Brown-Gabrielse-Systems die Überlagerung einer Translation entlang einer Feldlinie und der Rotation um diese Feldlinie herum.

Der offensichtliche Vorteil, ein -- zumindest formelmäßig -- einfacheres Magnetfeld zu erhalten, wird hier durch den Nachteil erkauft, daß sich ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}$ nicht in die in Abschnitt 2.1 diskutierte Multipolentwicklung einpaßt. Denn laut Tabelle 2.2 ist ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_3^+$ der einzig mögliche Grad-zwei-Anteil eines ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}$-Feldes, das dieser Entwicklung genügt. Der Anteil von ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}$ vom Grad zwei ist aber per Konstruktion von ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_3^+$ verschieden.

Ist ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}$ demnach unphysikalisch und damit für uns irrelevant? Nein, denn zunächst einmal besagt die Diskrepanz zwischen Gl. (2.34) und Tabelle 2.2 lediglich, daß die in Abschnitt 2.1 gemachten Annahmen hier nicht zutreffen. So läßt sich zum Beispiel das Postulat der Stromfreiheit nicht mehr aufrechterhalten (wenn man weiterhin nur stationäre Felder zulassen will), weil für das Dragt-Finn-Magnetfeld aus der inhomogenen Maxwell-Gleichung ${\mbox{\protect\boldmath$\nabla$}}\times{\mbox{\protect\boldmath$B$}}=\mu_0{\mbox{\protect\boldmath$j$}}$ folgt:

\begin{displaymath}
\quad
{\mbox{\protect\boldmath$j$}}({\mbox{\protect\boldma...
...}\rho{\mbox{\protect\boldmath$e$}}_\varphi \neq {\bf0}
\quad.
\end{displaymath} (2.36)

Man kann sich ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}$ als durch diese axialsymmetrische Stromdichte ${\mbox{\protect\boldmath$j$}}$ erzeugt denken. Auch die homogene Maxwell-Gleichung ${\mbox{\protect\boldmath$\nabla$}}\!\cdot\!{\mbox{\protect\boldmath$B$}}=0$ wird durch ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}$ erfüllt. Allerdings verschwindet die Rotation des Magnetfeldes nicht mehr, deshalb hat es kein skalares magnetisches Potential, und die Betrachtungen aus Abschnitt 2.1 sind nicht anwendbar.

Wir wollen jetzt die Hamilton-Funktion der Dragt-Finn-Magnetflasche herleiten und benötigen dafür ein Vektorpotential ${\mbox{\protect\boldmath$A$}}_{\rm DF}$ zu ${\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}$. Um

\begin{displaymath}
{\mbox{\protect\boldmath$B$}}_{\rm DF}(\rho,z) =
{\mbox{\p...
...\protect\boldmath$A$}}_{\rm DF}({\mbox{\protect\boldmath$r$}})
\end{displaymath} (2.37)

zu lösen, setzen wir wieder an:
\begin{displaymath}
{\mbox{\protect\boldmath$A$}}_{\rm DF}({\mbox{\protect\bold...
...$}}) = A_{\rm DF}(\rho,z){\mbox{\protect\boldmath$e$}}_\varphi
\end{displaymath} (2.38)

und erhalten:

\begin{eqnarray*}
\quad
\frac{\partial A_{\rm DF}}{\partial z} & = & B_2\rho z...
...frac{\partial A_{\rm DF}}{\partial\rho}
& = & B_0+B_2z^2 \quad.
\end{eqnarray*}



Aus der ersten dieser Gleichungen folgern wir

\begin{displaymath}
A_{\rm DF}(\rho,z) = \frac{B_2}{2}\left(\rho z^2+f(\rho)\right)
\end{displaymath}

(mit einer nur von $\rho $ abhängenden Funktion $f(\rho)$) und erhalten durch Kombination mit der zweiten Gleichung

\begin{displaymath}
\quad f'(\rho)+\frac{1}{\rho}f(\rho) = \frac{2B_0}{B_2} \quad.
\end{displaymath}

Die allgemeine Lösung für $f$ ist

\begin{displaymath}
f(\rho) = \frac{C}{\rho}+\frac{B_0}{B_2}\rho \quad \mbox{mit}\quad
C=\mbox{konst.}
\end{displaymath}

Wir wählen mit $C=0$ die einfachste Lösung und erhalten schließlich für das gesuchte Vektorpotential
\begin{displaymath}
\quad
{\mbox{\protect\boldmath$A$}}_{\rm DF}(\rho,z) =
\l...
...}\rho z^2
\right){\mbox{\protect\boldmath$e$}}_\varphi \quad.
\end{displaymath} (2.39)

Der Vergleich mit dem Term ${\mbox{\protect\boldmath$A$}}_3^+$ der Multipolentwicklung zeigt, daß hier das Weglassen des Summanden $-\frac{1}{2}B_2\rho^2{\mbox{\protect\boldmath$e$}}_z$ beim Magnetfeld dem Vernachlässigen des Vektorpotential-Termes $-\frac{1}{8}B_2\rho^3$ entspricht.

Wenn wir Gl. (2.39) in die allgemeine Formel (2.16) für axialsymmetrische Magnetflaschen einsetzen und wie bei der Brown-Gabrielse-Flasche $p_\varphi=0$ annehmen, ergibt sich für die Hamilton-Funktion der Dragt-Finn-Flasche:

\begin{displaymath}
H_{\rm DF}(\rho,z,p_\rho,p_z) =
\frac{1}{2m}\left\{p_\rho^...
...{q^2B_0B_2}{2}\rho^2z^2+\frac{q^2B_2^2}{4}\rho^2z^4
\right\}.
\end{displaymath} (2.40)

Wir setzen wieder $m=q=1$ und skalieren wie in den Gln. (2.30) und (2.32), wobei wir uns aber auf den Fall $B_0B_2>0$ beschränken2.5, und erhalten
\begin{displaymath}
\quad H_{\rm DF}(\rho,z,p_\rho,p_z) =
\frac{1}{2}\left(p_\...
...}{2}p_z^2 +\frac{1}{2}\rho^2z^2 + \frac{1}{8}\rho^2z^4
\quad.
\end{displaymath} (2.41)

Auch diese Hamilton-Funktion kann offensichtlich nicht mit den Mitteln Gustavsonschen Normalformentheorie behandelt werden.



Fußnoten

... beschränken2.5
Die Beschränkung auf den Fall $B_0B_2>0$ erscheint sinnvoll, wenn man die physikalische Motivation bei der Einführung des Dragt-Finn-Magnetfeldes bedenkt.

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Martin_Engel 2000-05-25